Buchauszug aus der "Krabbenkönig" von Wolf S. Dietrich

Hier finden Sie exklusiv einen kleinen Auszug aus dem Cuxland-Krimi der "Krabbenkönig". Darin wird ein Rundflug der Kommissarin Marie Janssen mit dem UL-Piloten Christoph beschrieben. So könnte übrigens auch Ihr Rundflug aussehen! 

 

Der Roman ist bereits im Handel. Die offizielle Buchvorstellung mit Wolf S. Dietrich wird am Donnerstag, den 22.05.2015 um 14:00 Uhr in der Buchandlung Oliva in Cuxhaven stattfinden.

 

 

Auszug aus der Krabbenkönig:

 

Der Mann, der Marie empfing, sah nicht so aus, wie sie sich einen Piloten vorgestellt hatte. Statt eines distinguierten Herrn mit silbernen Schläfen begrüßte sie ein sportlicher, dunkelhaariger Enddreißiger im T-Shirt. Dennoch fasste Marie sofort Vertrauen, denn sein Händedruck war kraftvoll, sein Lächeln aus dunklen Augen warm und herzlich. Er strahlte Selbstsicherheit und Verlässlichkeit aus. „Ich bin Christoph. Hier auf dem Flugplatz duzen wir uns.“

Marie stellte sich vor und bedankte sich für die Bereitschaft, sie auf einen Rundflug mitzunehmen. Christoph nickte. „Kein Problem. Ich hab’s Felix versprochen. Hab mich gefreut, als er gestern angerufen hat. – Bist du schon mal geflogen?“

„Nur in einer großen Maschine. Mit einer Freundin zum Kite-Surfen nach Teneriffa. Ist aber ein paar Jahre her.“

„Na ja.“ Der Pilot schmunzelte und deutete auf ein winziges Flugzeug, das gerade jemand aus der Halle rollte, indem er es wie einen Bollerwagen hinter sich herzog. „Das ist bei uns schon ein bisschen anders. Der Unterschied ist so ähnlich wie zwischen Busfahren und Rollerfahren. Anstatt nur einzusteigen, in der Reihe zu sitzen und mitzufahren, müssen wir hier alles selber machen, um in die Luft zu kommen. Aber darum kümmere ich mich. Du kannst dir nachher ganz entspannt die Landschaft ansehen. Los, ich zeig dir unsere C 42!“

Marie zog eine Digitalkamera aus der Tasche. „Kann ich während des Fluges ein paar Fotos schießen?“

„Selbstverständlich. Allerdings wird durch das Plexiglas der Kanzel die Qualität der Aufnahmen beeinträchtigt.“

Christoph umrundete das Flugzeug, untersuchte den Propeller und einige andere bewegliche Teile. Dann überprüfte er Öffnungen, deren Funktion Marie nicht begriff, obwohl er erklärte, was er tat. Immerhin verstand sie so viel, dass die Kontrollen der Flugsicherheit dienten. Ihr Vertrauen wuchs.

Schließlich öffnete er die rechte Tür und ließ sie einsteigen. Marie blickte auf ein Cockpit mit zahlreichen Instrumenten, deren Bedeutung ihr verschlossen blieb. Nur der Kompass war ihr vertraut. Zwischen den Sitzschalen ragte ein Hebel auf. Der Steuerknüppel, vermutete Marie. Plötzlich bewegte sich unter ihren Füßen ein seltsames Gestänge. Gleichzeitig schien das Flugzeug zu schwanken. Erschrocken zog sie die Beine an und deutete nach unten. „Damit muss ich aber nichts machen, oder?“

„Die Pedale sind für das Seitenruder“, erklärte Christoph, während er sie anschnallte. „Die brauchst du nur, wenn der Pilot ausfällt.“

„Aha.“ Marie zog die Nase kraus. „Sehr beruhigend.“

Wenig später saß er neben ihr und legte seinen Sicherheitsgurt an. Dann gab er ihr ein Headset, setzte selbst eins auf, testete die Verständigung und startete den Motor. Das Flugzeug schien sich aufzurichten, die Luftschraube verschwamm zu einer Scheibe. Christoph holte sich noch ein paar Informationen über Funk, betätigte einige Schalter und kontrollierte die Anzeigen. Im nächsten Augenblick rollte die Maschine über den Rasen. Holpernd nahm sie Fahrt auf, plötzlich hörten die Stöße auf, sie waren in der Luft. Rasch gewann das kleine Flugzeug an Höhe, und Marie beobachtete staunend, wie sich der Blick auf die Landschaft entfaltete.

„Wohin soll’s zuerst gehen?“, fragte Christoph.

„Nach Süden.“ Marie deutete in eine Richtung, von der sie nicht wusste, ob sie richtig war. „Beverstedt, Bremervörde, dann weiter nach Stade und Hemmoor. Mich interessieren hauptsächlich die Seen- und Moorgebiete in dem Bereich. Danach würde ich gern über den Balksee wieder nach Westen zum Flögelner See, Dahlemer See und zum Ahlenmoor bei Ahlen-Falkenberg weiterfahren … äh, fliegen.“

„Okay.“ Christoph bewegte den Steuerknüppel nach hinten und gab Gas. Das kleine Flugzeug hob die Nase und stieg steil in den Himmel. Marie hielt den Atem an. Wenig später deutete der Pilot nach rechts. „Bremerhaven.“

Marie strahlte. Nach der anfänglichen Unsicherheit hatte sie sich rasch an die Bewegungen der Maschine gewöhnt und begonnen, den Flug zu genießen. Die Aussicht war überwältigend. Das Panorama der Stadt mit Klimahaus, Columbus Center, Zoo am Meer, Richtfunkturm, Atlantic-Hotel und Mediterraneo hatte sie noch nie so gesehen.

Dann kamen Wälder und Wiesen in grüner Landschaft, die von blau leuchtenden Seen und braunen Feldern unterbrochen wurde. Hier zogen Traktoren nicht nur ihre Pflüge, sondern auch Möwenschwärme hinter sich her.

„Was könnte das sein?“ Sie deutete auf ein vom Verfall gezeichnetes Gebäude und zoomte das Bild mit der Kamera näher heran. „Sieht aus wie eine ehemalige Fabrik. Aber mitten im Wald, am Rande eines Moorgebiets?“

„Hier in der Gegend hat es früher eine Ziegelei gegeben“, antwortete der Pilot. „Oder ein Torfwerk. Oder beides. Hat mal ein Fluggast erzählt. Ich weiß nur nicht, wo genau.“

„Können wir noch einmal eine Runde drehen?“ Marie hielt die Kamera hoch. „Ich würde gern ein paar Aufnahmen machen.“

„So oft du willst.“

Der Pilot flog eine Rechtskurve und brachte das Flugzeug in Schräglage, so dass Marie das Anwesen fotografieren konnte. Schließlich gab sie Christoph ein Zeichen. „Danke! Es kann weitergehen.“

In dem Augenblick, als sich die Maschine wieder aufrichtete, entdeckte sie den silbergrauen Wagen. Ihr Herz schlug schneller, als sie die letzten Fotos kontrollierte. Nur auf einem war er deutlich zu erkennen, auf den anderen blieb er auf seiner Fahrt über den Waldweg teilweise oder wohl auch ganz unter Bäumen verborgen, je nach Perspektive.

„Können wir zurückfliegen?“, fragte sie eilig. „Aber bitte nicht noch einmal über die alte Fabrik.“ Das Risiko, entdeckt zu werden, schien ihr zu groß.

Christoph warf ihr einen erstaunten Blick zu. „Hast du schon genug?“

„Nein.“ Marie schüttelte den Kopf. „Ich will meinen Kollegen die Fotos schicken. Kann sein, dass sich da unten der gesuchte Entführer versteckt. Wir müssen da so schnell wie möglich hin.“

Der Pilot leitete eine Linkskurve ein. „Selbstverständlich. Wir können jederzeit gern wieder starten und den Rundflug fortsetzen.“

„Das ist nett von dir. Aber wahrscheinlich werden wir einen Einsatz haben.“ Sie deutete nach unten. „Und zwar genau da.“

Nachdem Christoph Kurs auf Kührstedt genommen hatte, schoss Marie eine letzte Aufnahme von den Dächern der alten Fabrik, die gerade noch zwischen den Baumwipfeln zu erkennen waren.

 

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